Warum ich Pirat bin

Hinter jedem Piraten steckt eine ganz individuelle Geschichte und jeder hat seine eigene Motivation sich aktiv zu engagieren.

Da die Vorstellungen und Zielsetzungen innerhalb der Piratenpartei nicht immer ganz deckungsgleich sind, finde ich es immer interessant zu erfahren warum man Pirat ist.

Deshalb möchte ich einfach mal erzählen, weshalb ich von der Piratenpartei so angetan bin und warum ich mir keine Sorgen um ihre zukünftige Entwicklung mache.

Mir ist die Piratenpartei erstmals auf Gulli.com aufgefallen, als es um die Zulassung zur Europawahl ging. Neugierig wie ich bin, informierte ich mich erstmal eingehend über diese mir bisher unbekannte Partei.

Der Name „Piratenpartei“ weckte sofort mein Interesse und kam mir von Anfang an eher sympathisch, als abstoßend vor.

Nachdem ich mir alles Wichtige durchgelesen hatte, entschloss ich mich diese neuartige Partei mit meiner Unterschrift zu unterstützen und das Formular gleich mehrfach auszudrucken, um direkt auch noch ein paar Unterstützerunterschriften im Freundeskreis zu sammeln. Meine Freunde hatten, genau so wie ich vorher, noch nie etwas von der Piratenpartei gehört, doch meistens hat es genügt ihnen kurz das Programm zusammenzufassen, um ihnen zu erklären worum es überhaupt geht oder ihnen die Internetseite zu zeigen, bis sie überzeugt waren.

Ich habe die Piraten dann erstmal noch eine Weile beobachtet und mich eingehender mit ihnen beschäftigt. Je tiefer ich in die Piratosphäre eindrang, desto mehr freundete ich mich mit der Partei, ihren Werten, Mitgliedern, Sympathisanten und Zielen an.

Daraufhin besuchte ich in Köln das erste Piratentreffen, welches mir auf Anhieb gut gefiel, da mir die Menschen denen ich dort begegnete durchweg sympathisch waren, so dass ich zu weiteren Treffen in Köln und Bonn ging. Zunächst unterstützte ich die Piraten nur virtuell, durch Aktivitäten im Wiki, auf Twitter, im Forum und Mailinglisten, bis ich mich im Juni 2009 entschloss Mitglied zu werden. Für den Bundestagswahlkampf wurde ich auch zunehmend offline aktiv, verteilte Flyer in der Innenstadt und belieferte ungefähr 2000 Haushalte damit, besuchte Christian Engström’s Vortrag in Nürnberg, protestierte am nächsten Tag auf der „Freiheit statt Angst“-Demo in Berlin, kleisterte das erste Mal in meinem Leben Plakate und piratisierte meine Nachbarschaft mit einigen Exemplaren. Nicht das ich mich damit rühmen wollte – im Vergleich zu anderen Piraten habe ich bisher wirklich nicht viel gemacht, aber immerhin etwas.

Mich treibt der idealistische und vielen möglicherweise naiv erscheinende Glaube daran, dass man bei guter Koordination & Kooperation Großes erreichen kann, wenn alle nur ein klein wenig mithelfen.

Ich bin Pirat!
Im Laufe der Jahre musste ich ohnmächtig dabei zusehen, wie der Staat immer mehr dem Überwachungs- & Sicherheitswahn erlag, während er nach und nach die Bürgerrechte beschnitten und das Volk dabei systematisch übergangen und/oder belogen hat, zumeist unter dem Vorwand der inneren Sicherheit oder wie zuletzt der angeblichen Bekämpfung illegaler Inhalte im bösen Netz. Ich wurde mir zunehmend über die Dimensionen des Wandels und dessen Folgen bewusst und hatte schon länger das Gefühl, dass man mal etwas dagegen setzen müsste.

Die Ziele der Piratenpartei

Die Piraten setzen sich ein für die Wahrung der Bürgerrechte, gegen übertriebene Überwachung, für einen transparenten Staat, gegen Monopole aller Art (z.B. Patente auf Gene, ganze Organismen oder Software), für die Förderung von OpenSource und freien Lizenzen, gegen ausufernden Populismus, gegen eine von der Wirtschaft manipulierte Politik, mit an Korruption grenzendem Lobbyismus, für mehr direkte Demokratie mit mehr Möglichkeiten zur Mitentscheidung für den Bürger, für eine Reform des Urheberrechts im Sinne von Verbrauchern und Künstlern, bei gleichzeitiger Entmachtung der großen Verwertungsfirmen, wie GEMA oder GEZ, gegen unehrliche Wahlversprechen dessen Einhaltung nur auf Kosten zukünftiger Generationen möglich ist, für Open Access und freie Bildung, für ein friedliches und respektvolles Miteinander, ohne Diskriminierung und gegen Radikalisierung aller Art, für einen Staat der seinen Bürgern dient, in dem die Exekutive keine Allmachtsstellung besitzt und dessen Judikative nicht ständig gezwungen ist, die Legislative wieder auf einen Grundgesetz-konformen Kurs zu bringen.

Meine Sicht der Dinge…

Für all das stehen die Piraten – doch man findet das nicht alles auf den ersten Blick, und einiges steht bisher noch nicht als offizielle Parteiaussage explizit im Parteiprogramm oder in der Satzung. Außerdem ist das nur meine höchst subjektive Einschätzung und ich behaupte nicht, dass ich auch nur annähernd den Überblick hätte, sondern kann nur reflektieren worauf ich bisher gestoßen bin und meine persönlichen Wünsche mit einfließen lassen.

„Raus aus der Nerd-Ecke!“

Über die Kernforderungen hinaus öffnen sich die Piraten nun auch nach und nach vielen weiteren wichtigen Themen, wie Soziales, Umwelt, Nachhaltigkeit, Wissenschaft, Energie, Wirtschaft, Verbraucherschutz, Kultur, Integration und vielen, vielen weiteren, an denen in unzähligen Arbeitsgruppen gearbeitet wird. Analog dazu ist auch die Mitgliederzusammensetzung inzwischen sehr viel heterogener, als es das Programm bisher erahnen lässt.

Warum sollte ich Piraten wählen?

Jeder hat die Möglichkeit eine Veränderung herbeizuführen. Bei den Piraten gibt man seine Stimme einer Partei, die sich mit mehr, als nur dem hier und jetzt, sondern auch mit morgen und übermorgen beschäftigt, die keine leeren Wahlversprechen macht, die sie nicht halten kann, die so ehrlich ist, dazu zu stehen, dass sie noch jung ist, die Fehler zugibt und daraus lernt, die inhaltlich zunächst noch auf ihre Kernkompetenzen baut und nur mit der nötigen Expertise Aussagen zu anderen Themen machen möchte, statt sich mit populistischen Schnellschüssen ins Abseits zu manövrieren.

Es geht vor allem um das „wie“

Doch es geht bei den Piraten nicht nur um die Inhalte – es geht auch darum wie Politik gemacht wird – ein wichtiger Punkt, den die etablierten Parteien bisher sträflich vernachlässigen, der aber im Endeffekt eine zukunftsweisende Frage ist.
Dass in diesem Bereich dringend Nachbesserungsbedarf besteht, zeigt beispielsweise der immense Einfluss unzähliger Lobbyisten auf die Politik.

Was dahinter steckt…

Die Piratenpartei hat zwar einen gewöhnungsbedürftigen Namen, doch dahinter steckt eine ehrenwerte Philosophie und eine grundgesetztreue Haltung. Man mag mir jetzt unterstellen, dass ich das alles nur schreibe, weil ich möchte, dass ihr die Piratenpartei wählt, – das stimmt auch – doch ich kann dazu noch verteidigend anmerken, dass mich das Konzept und die Einstellung der Piratenpartei immer mehr überzeugt hat, je intensiver ich mich mit ihr und ihren (fast durchweg freundlichen, interessanten & intelligenten) Mitgliedern beschäftigt habe.

Die Piratosphäre…

Geht einfach mal auf Entdeckungsreise und wagt euch in den Piratenkosmos! Es steht euch frei wo ihr beginnt, die Piratenpartei ist nicht hierarchisch, sondern dezentral organisiert – das ist Segen und Fluch zugleich – es fällt oft schwer den Überblick zu behalten und erst recht ist es ziemlich mühsam ihn erstmal zu bekommen. Doch es lohnt sich!

Viele grundlegende Informationen und aktuelle Pressemitteilungen erhält man auf der Homepage, um auf dem Laufenden zu bleiben kann man den Newsletter abonnieren, im Piratenwiki kann man die aktuelle Arbeit mitverfolgen und sich aktiv einbringen, in unzähligen Mailinglisten, sowie im Forum kann man ausgiebig diskutieren, auch das Liveportal lädt zum Mitmachen ein, in den Microbloggingdiensten tummeln sich Piraten, in unzähligen Blogs teilen sie ihre Gedanken und „last but not least“ kann man Piraten auf den regelmäßig stattfindenden Treffen auch im „Real Life“ kennen lernen (also da draußen, so wirklich in Echt, zum Anfassen, in Farbe und so..).

Wenn man die Augen aufmacht findet man an jeder Ecke Interessantes, Neues und Unterstützenswertes. Man weiß gar nicht wo man anfangen soll und stellt immer wieder fest, dass man eigentlich immer noch unwissend ist. Bis auf einige persönliche Meinungen bin ich bisher noch auf nichts gestoßen, mit dem ich nicht wenigstens prinzipiell übereinstimmen würde.

Vorbehalte, Kritik & Vorurteile…

Die Unübersichtlichkeit führt auch oft zu Fehleinschätzungen der jungen Partei. Beispielsweise wurde eine Nähe zum rechten Rand postuliert, doch bereits der erste Absatz der Satzung sollte jedem unmissverständlich klar machen, dass dieser Vorwurf nicht haltbar ist. Auch das (noch) begrenzte Themenspektrum sorgt bei vielen für Unsicherheit und einige haben Angst „die Katze im Sack“ zu wählen, ohne vorher zu wissen in welche Richtung sich die Partei entwickeln wird. Aber, hey: Seht euch mal die etablierten Parteien an. Denen ist nach der Wahl doch weitestgehend schnurz, was in ihren vorher eifrig herumgezeigten Wahlprogrammen drin steht und welche vollmundigen Versprechen sie abgegeben haben. Da wähle ich doch lieber eine Partei, die noch kein (so called) „Vollprogramm“ hat, sich dafür aber auf transparente, ehrliche Weise mit den wirklich wichtigen Fragen und Problemen dieser Zeiten auseinandersetzt!

Die Programmerweiterung…

Viele verlangen umfassende Antworten auf alle Fragestellungen der aktuellen Politik, doch man kann nicht so einfach ein seriöses Vollprogramm aus dem Boden stampfen, welches allen Anforderungen gerecht wird. Die Themenerweiterung braucht Zeit. Doch sie ist schon in vollem Gange: Noch relativ kurz vor der Bundestagswahl wurde das Programm und das Thema Bildung erweitert und möglicherweise werden schon zur NRW-Landtagswahl einige neue Punkte ins Wahlprogramm mit aufgenommen.

NRW macht es vor…

Die nordrheinwestfälischen Piraten wagen sich bereits an Themen außerhalb ihrer Kernkompetenzen, wie z.B. Verbraucherschutz, Umwelt, Kultur, Innenpolitik, Arbeit & Soziales, Steuern & Finanzen oder  Gesundheit erweitert und scheut dabei nicht sich auch mit heiklen Themen, wie Drogenpolitik, auseinander zu setzen.

Wo geht es hin?

Die Piratenpartei hat zwar zu vielen anderen wichtigen Themen noch nicht offiziell Stellung bezogen, doch man kann sich sicher sein, dass sie einem nichts vorspielen und sich nie korrumpieren lassen wird, da sie transparent und basisdemokratisch ist (und bleibt). Ich bin guter Dinge, dass sie in vier Jahren viel weiter sein wird, wenn sie bis dahin ihre Kinderkrankheiten auskuriert und die nötigen Kommunikations- & Entscheidungsstrukturen geschaffen hat, um effektiv agieren und sich so nennenswert weiterentwickeln zu können. Liquid Democracy ist das Stichwort!

Raus mit der Sprache!

Wenn einem etwas entschieden gegen den Strich geht, muss man sich Gehör verschaffen und wenn man eine Idee oder einen Vorschlag unterstützt, muss man sich dafür stark machen, denn die Möglichkeit sich aktiv einzubringen, seine Meinung frei zu äußern und den Kurs so ein Stück weit mit zu bestimmen, bieten die Piraten nicht nur Mitgliedern und Sympathisanten, sondern auch Kritikern und allen anderen, an einem ernsthaften Diskurs interessierten Menschen.

Es ist dringend an der Zeit, sich aktiv für ein offenes & freies Internet einzusetzen!

Der Artikel „Digitale Gesellschaft – Der Krieg um das Internet“ (Süddeutsche) spricht viele wichtige Punkte an, die in Bezug auf dieses Ur-Piratenthema, genau meine Meinung widerspiegeln und erklären weshalb ich die Piratenpartei so unterstützenswert finde.

Piratige Artikel, aus diesem Blog

10 Antworten zu “Warum ich Pirat bin

  1. Pingback: Deutschland: Ein paranoider Polizeistaat! [Pt II] « Twitgeridoo!

  2. uff, cooler uns authentischer Text. Vielen Dank. Ich denke auch das wir uns in Punkto Politik 2.0 keine Sorgen machen sollten.

    d++r
    #skynet

    • Das hört man gerne. 🙂
      Authentisch sollte der Text schon sein, da es meine Gedanken sind.

      Wir dürfen „Politik 2.0“ aber auch nicht auf die leichte Schulter nehmen… So ganz von alleine läuft das nicht.

  3. Danke für den Text. Es ist immer wieder interessant und schön zu hören was Mitglieder bewegt hat sich den Piraten anzuschließen.
    Schade finde ich, dass du dich in dem Absatz „Was dahinter steckt…“ glaubst rechtfertigen zu müssen. Deine Begeisterung für die Partei ist in dem Text sehr gut zu spüren und der Wunsch Wähler zu gewinnen ist verständlich. Eine Partei kann noch so gute Ideen und hehre Ziele haben, was nützt es wenn sie nicht gewählt wird.
    Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich glaube, dass das Programm nach und nach erweitert werden sollte. Und das braucht, wie du auch schriebst, Zeit.

    Einen piratigen Gruß

    DonnyK77

  4. ahoi,

    sehr guter blog, wir aktiven sollten solche aktionen unterstützen und vor allem in unserem privaten umfeld auf die ziele unserer partei aufmerkam machen.

  5. Pingback: Begrüßung: Wo bin ich hier nur gelandet? - Leafrs.de

  6. Pingback: “Quarks & Co” über die Piraten « Twitgeridoo!

  7. Pingback: Warum seid ihr Piraten? « Twitgeridoo!

  8. Lesenswert und interessant sich die Welt der Piraten von Innen ansehen zu koennen – aus Deinem sehr persoenlichen Blickwinkel. Danke.

Hinterlasse einen Kommentar